Solidarische Stimmen gegen das „dröhnende Schweigen“

von Rudi Schroeder

Während der Nahostkonflikt eskaliert, findet unter dem Motto „Erinnern-Mahnen-Gedenken“ am Montag, 7. Oktober, ab 19 Uhr in der Aachener Citykirche eine Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des bestialischen Überfalls der Hamas auf die Zivilbevölkerung Israels statt.

Bei dem von der radikal-islamistischen Terrororganisation begangenen Massaker am 7. Oktober 2023 wurden 1200 Menschen ermordet, mehr als 250 entführt und als Geiseln genommen sowie über 1500 verletzt. Noch immer sind 101 Geiseln in der Gewalt der Hamas, wie viele von ihnen noch leben, ist nicht bekannt.

Gemeinsame Veranstalter sind die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), die Citykirche, die Jüdische Gemeinde und das Gedenkbuchprojekt Aachen. In dem rund zweistündigen Programm referiert der Autor und Journalist Christoph-David Piorkowski über die schrecklichen Ereignisse, ihre Hintergründe, Ursachen und Folgen. Piorkowski beschäftigt sich in seinen Arbeiten immer wieder mit den Themenfeldern NS- und Holocaustforschung, Antisemistismus, Rassismus und Rechtspopulismus. Bürgermeisterin Hilde Scheidt spricht ein Grußwort sprechen, Rabbiner Michael Jedwabny das Kaddisch, eines der bedeutendsten Gebete im Judentum, und Rebecca Or tritt mit einer Rezitation von Versen in Hebräisch und Deutsch auf. Umrahmt werden die Wortbeiträge durch den ersten Auftritt des neugegründeten Klezmertrios „Lachendes Weinen“.

Die Gedenkveranstaltung soll von „verschärften Sicherheitsmaßnahmen“ begleitet werden. Die Aachener Polizei, so die Veranstalter, habe erklärt, man sei sich „der Brisanz bewusst“. Für die Citykirche sagte Sylvia Engels, das Massaker der Hamas sei „der Aufruf zu einem genozidalen Krieg gegen Jüdinnen und Juden aus aller Welt und den Staat Israel“ gewesen. Längst werde in vielen Medien das unfassbare Geschehen im Rahmen dieses dschihadistischen Krieges verharmlosend als Überfall bezeichnet: „Der zugrundeliegende Vernichtungsantisemitismus wird umgangen.“ Klar sei aber auch, dass nicht nur jüdische Menschen Opfer seien, sondern auch etwa Palästinenser und Libanesen. Und, so Engels: „Dschihadkrieg bedeutet nicht, dass man die Extremisten in der israelischen Regierung nicht kritisieren darf.“

Die DIG-Vorsitzende Elisabeth Paul beklagte ein „dröhnendes Schweigen“ im Angesicht des weltweiten Antisemitismus. Der 7. Oktober 2023 müsse genauso wie der Holocaust eingebracht werden in das kollektive Gedächtnis. Israel sei umgeben von Feinden und kämpfe ums Überleben, um seine Existenz. Zugleich betonte Paul: „Unsere Solidarität gilt dem Staat und den jüdischen Menschen, nicht der Regierung Netanjahu.“ Der Hamas und der Hisbollah gehe es um die islamistische Herrschaft in der Region.

In die Zukunft gerichtet
Die Jüdische Gemeinde erklärte, mit der Teilnahme an dieser Gedenkstunde zum „größten Massaker an Juden und Jüdinnen seit dem Holocaust“ bringe die Stadtgesellschaft Aachen ihre Solidarität mit den Opfern und die Forderung nach Freilassung der Geiseln aus der Hand der Hamas zum Ausdruck. Bettina Offergeld vom Gedenkbuchprojekt: „Erinnern und Gedenken sind uns wichtig. Die Arbeit darf aber nicht in der Vergangenheit verharren, sondern muss in die Zukunft gerichtet sein.“ Der Verein verurteile den erstarkten Antisemitismus in Deutschland aufs Schärfste. Die Gründe dafür wie auch für den latenten Antisemitismus, so Sylvia Engels, sehe der Buchautor („Judenhass“) und Publizist Michel Friedman auch in fehlender Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit in unserem Land. Friedman wird am 8. November im Rahmen einer Talkrunde zu diesem Thema ebenfalls in der Citykirche sprechen.

"Unsere Solidarität gilt dem Staat und den jüdischen Menschen, nicht der Regierung Netanjahu." (Elisabeth Paul, Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Aachen)

Ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde, der namentlich nicht genannt werden möchte, ließ mit diesen Sätzen tief in seine Seele blicken: „Es ist unglaublich, dass Demos von Hamas-Aktivisten und Rechtsradikalen wie in Berlin, die gemeinsam zum Dschihad aufrufen, nicht verboten werden. Wir Juden haben auch in Aachen Angst. Innerhalb der Jüdischen Gemeinde fühlen wir uns einigermaßen sicher. Aber außerhalb... Wir Juden und unsere Kinder müssen immer noch unsere Religion verstecken.“ Was Elisabeth Paul zu dieser Anmerkung veranlasste: „Dabei ist es ein Grundrecht jedes Bürgers, seine Religion frei zu leben. Ich trage auch deshalb den Davidstern in der Öffentlichkeit.“

Übrigens: Es werden Spenden gesammelt für den Kibbutz Nir Oz, der am 7. Oktober zerstört wurde. Viele seiner Bewohner starben oder wurden entführt.

Quelle: Aachener Zeitung, 4.10.2024